ESG Employment Horizon 2024 German - Flipbook - Page 9
ESG und Arbeitszeit
Neue Vorgabe zur
Arbeitszeiterfassung
Eines der derzeit meistdiskutierten
Themen im Rahmen von Compliance und
Gesundheitsschutz ist die Arbeitszeiterfassung.
Das Recht von Arbeitnehmer*innen auf eine
Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie auf
tägliche und wöchentliche Ruhezeiten gilt als
eines der höchsten Arbeitnehmerschutzgüter
und ist in der EU-Grundrechtecharta verankert.
Auch das deutsche Arbeitsrecht enthält
entsprechende Regelungen.
Neue Brisanz erfuhr das Thema Arbeitszeiterfassung durch eine
Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. September
2022 (Az. 1 ABR 22/21). In dieser stellte das BAG fest, dass das
deutsche Recht bereits eine Verpflichtung von Arbeitgebern
zur vollständigen Arbeitszeiterfassung enthält. Diese ergebe
sich aus der allgemeinen Pflicht des Arbeitgebers, geeignete
Maßnahmen zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der
Arbeitnehmer zu ergreifen.
In seiner Entscheidung begründet das BAG die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung damit,
dass nur auf diese Weise sichergestellt und kontrolliert werden kann, ob Arbeitsund Ruhezeiten tatsächlich eingehalten werden. Damit ist die Frage des „Ob“ der
Arbeitszeiterfassung zwar geklärt; wie ein solches System zur Arbeitszeiterfassung
aber konkret ausgestaltet sein muss, ließ das BAG weitgehend offen.
Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im April
2023 einen entsprechenden Referentenentwurf vorgestellt, der die Anforderungen
an ein Zeiterfassungssystem definiert. Der Entwurf sieht eine Pflicht zur
elektronischen Arbeitszeiterfassung am Tag der Arbeitsleistung vor. Ausnahmen und
Übergangsfristen gelten insbesondere für kleine Betriebe. Zudem sind abweichende
Regelungen durch oder aufgrund eines Tarifvertrags möglich.
Die erwartete Neufassung des Arbeitszeitgesetzes zieht in arbeitsrechtlicher Hinsicht
verschiedene Folgefragen nach sich. Bei der Einführung einer Arbeitszeiterfassung
sind insbesondere etwaige Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten. In
datenschutzrechtlicher Hinsicht müssen Arbeitgeber zudem die gesetzlichen
Vorgaben hinsichtlich der Speicherdauer im Auge behalten.
Unternehmen sind gut beraten, ihre Praxis der Arbeitszeiterfassung rechtzeitig zu
evaluieren und auf einen etwaigen Handlungsbedarf zu überprüfen. Zwar bestehen
derzeit noch keine Bußgeldtatbestände im Falle eines Verstoßes gegen die Pflicht
zur Arbeitszeiterfassung. Solche sind aber im Referentenentwurf vorgesehen und
können zu Bußgeldern von bis zu EUR 30.000,00 führen. Ein Verstoß kann zudem
auch in anderer Hinsicht Folgen haben. Diskutiert werden derzeit insbesondere die
Auswirkungen auf die Beweislast bei der Vergütung von Überstunden.