BadAiblingDasMagazin_2025 - Magazin - Seite 90
90 Zu guter Letzt
Freiheit über dem Abgrund
Vom stillen, eher schüchternen Buben,
der am liebsten Comics liest, zu einem
mutigen Seiltänzer und Rekordhalter
im Highlinen scheint eigentlich kein
Weg zu führen. Bei Friedi Kühne aus
Bad Aibling aber schon.
S
lacklinen, also das Balancieren auf
einem schmalen, gespannten Band,
hat sicher der eine oder andere schon
einmal ausprobiert. Doch damit gibt sich
Friedi Kühne nicht zufrieden. Für ihn muss
es eine Highline in großer Höhe sein.
600 Highlines in über 60 Länder, zahlreiche Weltrekorde, ein Buch, Vorträge
und Coachings über das Balancieren in
der Höhe sind eine vorläufige Bilanz des
Mittdreißigers.
Damit wir uns das Highlinen besser vorstellen können, haben wir uns in der
Wolfsschlucht im nahen Neubeuern mit
Kühne getroffen. Warum dort, fragen wir
ihn, und er verrät uns: „Hier bin ich meine
erste Highline gegangen. Damals haben
mir noch die Knie gezittert. Und heute ist
es die nächste Möglichkeit in der Nähe
von Bad Aibling.“ Spektakulär schaut
das Balancieren über der Schlucht aus –
nichts für schwache Nerven. Doch nicht
nur Mut gehört zum Highlinen, sondern
auch große Körperbeherrschung, eine
super Fitness und mentale Stärke.
Am Limit
Wenn man ihn fragt, wie das alles
begonnen hat, erzählt er: „In meiner
Kindheit war ich ein eher stiller Typ. Berge
und große Anstrengungen waren nichts
für mich. Mein perfekter Tag bestand aus
Comics lesen, Fernsehen und Lego bauen.
Gott sei Dank haben meine Eltern mich
trotzdem immer wieder auf Bergtouren
oder zum Skifahren mitgenommen. Als ich
dann 2009 während eines Kletterurlaubs
in Italien zum ersten Mal das Slacklinen
ausprobierte, war es um mich geschehen.
Erst war ich super frustriert und dann
total angefixt. Heute bin ich geradezu
süchtig danach und kann mir ein Leben
ohne Berge, Highlinen und Adrenalin
nicht mehr vorstellen.“
Friedi Kühne hat diverse Highline-Rekorde
aufgestellt: „Zwölf oder 14 sind es, so ganz
genau weiß ich es gar nicht. Natürlich sind
dabei meine Weltrekorde für mich sehr
besonders. Und da ragen die Free Solo
Highlines, die man ohne Sicherung geht,
2016 in Kanada und 2017 in Südfrankreich
an der Verdon-Schlucht noch einmal extra
heraus.“ Weiter berichtet Kühne, der als
Lehrer für Mathematik und Englisch arbei-
