Mitenand 2-2024 - Flipbook - Seite 9
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Was tut man da? Ich wurde selbst ziemlich nervös,
schickte Fabian möglichst ruhig in die Schule und rief
dann die Kinderärztin an. Diese sagte mir, ich solle
vorbeikommen. Im Nachhinein erzählte sie mir übrigens, dass sie den Eltern in solchen Situationen meist
rate, ein Traubenzückerli zu geben und die Situation zu
beobachten.
Ein glücklicher Zufall, dass sie anders entschied. Die
Ärztin meinte dann, etwas sei mit dem Blutgerät nicht
in Ordnung, da stimme etwas nicht, wir sollen doch ins
Berner Inselspital.
Konntest du
abschätzen,
was das heisst,
Leukämie? Von
Leukämie wusste ich nur, dass
viele Erwachsene
daran sterben. Dass
Leukämie die häu昀椀gste
Kinderkrebsart ist und auch oft
gut geheilt werden kann, das wusste ich nicht.
Sofort? Ja. Wobei ich heute noch nicht weiss, weshalb ich zuerst das Auto heimbrachte, Essen vorkochte,
Spielsachen einpackte und erst dann losging. Als hätte
ich es geahnt, dass wir so schnell nicht wieder
heimkommen.
Ging es dann gleich los mit der Behandlung? Ich
musste mich nicht erst daheim mit meinem Mann besprechen, ob wir Chemo wollen oder nicht. Natürlich
wollten wir das. Wir starteten sofort.
Hey, wir sind stark, wir sind doch
die Porteniers.
Was hast du als Erstes gedacht, als der Arzt oder
die Ärztin die Diagnose stellte? Im Inselspital mussten wir das ganze Prozedere über uns ergehen lassen:
Blut abnehmen, röntgen, Ultraschall. Ich sass dort und
fragte ganz naiv: «Was ist denn das Schlimmste, das
Larissa haben könnte?» Sie sagten: «Leukämie.» Ich
war ba昀昀. Wir waren doch hier wegen eines viralen Infekts. Die sind doch alle hysterisch. Ich rief meinen
Mann an. Er durfte wegen Corona aber nicht ins Spital
kommen. Also sass ich nach sechs Stunden Tests gemeinsam mit Larissa im Zimmer, als die Ärzt:innen zu
viert hereinkamen. Ich wusste: Das ist nicht gut.
Und es kam nicht gut. «Das ist die Psychologin Soundso», wurde die eine Frau vorgestellt. Ich dachte: «Oh-oh.»
Ich stand wie neben mir. Ausserhalb meines Körpers.
Meine Tochter streichelte mich und sagte: «Hey, wir sind
stark, wir sind doch die Porteniers. Wir scha昀昀en das.»
Was passierte dann? Sie sagten mir, dass wir nun
12–18 Tage im Spital bleiben müssen. Dass Larissas
Immunsystem sofort komplett heruntergefahren wird.
Danach fangen sie an «reinzubuttern». Die Chemo
startet.
In diesen ersten Wochen im Spital erklären sie dir, wie
die nächsten zwei Jahre – so lange dauert der ChemoProzess – ablaufen werden. Du lernst, wie du mit dem
Kind umgehen musst, was für Regeln es einzuhalten
gilt, um es zu schützen, und vieles mehr.
Dann seid ihr nach Hause gegangen mit der Diagnose Leukämie. Und ganz viel Angst. Die Welt dreht
sich einfach weiter. War das schlimm oder hilfreich? Es war sehr schlimm. Wir hatten die Diagnose,
waren 14 Tage im Spital. Aber da ist noch das zweite
Kind. Was passiert mit Fabian in dieser Zeit? Auch hier
hatte ich grosses Glück: Meine Eltern und mein Bruder
wohnten im gleichen Dorf und nahmen Fabian zu sich.
Sie haben alles organisiert und waren eine Riesenhilfe.
So wusste ich: Er ist in einem guten Umfeld, auf ihn
wird geschaut.
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