Mitenand 2-2024 - Flipbook - Seite 10
KINDERKREBSMONAT SEPTEMBER | Eine persönliche Geschichte
Wie hat jede:r Einzelne in eurer Familie die Diagnose Leukämie aufgenommen? Für uns Eltern brach die
Welt zusammen. «Was haben wir falsch gemacht,
dass unser siebenjähriges Meiteli Krebs bekommt?»
Larissa hat uns aufgepäppelt. Sie hat uns da durchgetragen, gab uns Kraft – sie war die Starke. Auch Fabian
mit seinen damals knapp vier Jahren hat in diesen
zwei Jahren Chemo nicht einmal nicht am gleichen
Strick gezogen.
Wie hat sich das gezeigt? Eine der Regeln der Ärzt:innen war: Wenn Larissa 38 °C Fieber hatte, mussten wir
im Spital anrufen, bei 38,5 °C gleich direkt ab ins Spital.
Eines Abends hatte Larissa 38,2 °C Fieber. Da stand
Fabian auf, packte sein Kö昀昀erli und sagte: «Du kannst
Nani anrufen, ich bin parat.»
Warst du wütend? Ja. Sehr. Gopfetori, es gibt Menschen, die nehmen Drogen, trinken zu viel Alkohol, ruinieren ihr Leben. Meine siebenjährige Tochter, die noch
nie irgendetwas falsch gemacht hat, kriegt Leukämie.
Das ist nicht fair.
Wie ging es dann weiter? Wie war euer Leben nach
der Diagnose? Wir machten sozusagen einen langen
Lockdown als Familie.
Allein? Ja. Manchmal zu allein. Wir haben viele Kolleg:innen und Freund:innen verloren. Sie wussten wohl
nicht, wie sie mit Larissas Krankheit und damit mit uns
umgehen sollten.
Wenn die Familie vorbeikam, trugen sie immer Masken, mussten Distanz halten. Oft hörten wir: «Wir
haben Pfnüsel, wir kommen nicht, um Larissa zu
schonen.» Einerseits war das durchaus nett, da Larissas Immunsystem tatsächlich ganz unten war.
Aber wir wollten auch mal wieder Kontakt mit Leuten
haben. Man ist schon so tief unten, da braucht man
Kontakt.
Die Welt drehte sich weiter, die Gspänli deiner Tochter gingen zur Schule. Wie war euer Alltag? Wenn
Larissa 昀椀t genug war, ging sie zur Schule. Auch wenn
es manchmal nur ein Tag in der Woche war. Das war
ihr wichtig. Gemeinsam mit der Schule und dem Inselspital haben wir geschaut, was drin liegt.
Da Corona war, hatten alle Kinder Masken an, auch die
Lehrerin. Larissa war deshalb nicht «das kranke Kind
mit Maske». Das war eine grosse Hilfe. Sie hat sich
weniger als Aussenseiterin gefühlt.
Ihr habt viel mit eurer Tochter gelernt, damit sie den
Anschluss nicht verpasst, oder? Im ersten Jahr nicht
so viel, nein. Sie war zu müde, zu kaputt. Im Spital war
einmal am Tag Schule, da kam eine Lehrerin für eine
Stunde. Manchmal hat Larissa mitgemacht, meist ging
es aber nicht. Weil sie so viel verpasst hat, hat sie dann
die 2. Klasse wiederholt. Auch jetzt sind wir fest am
Bü昀昀eln. Das birgt viel Kon昀氀iktpotenzial.
Fehlte es an schulischer Unterstützung? Während
der Therapie nicht. Da hat uns die Schule sehr versucht
zu helfen. Sie sahen darüber hinweg, wenn Larissa
mal etwas nicht konnte.
Aber jetzt ist die Normalität zurück …
Genau. Jetzt ist es manchmal so, als wäre sie nie
krank gewesen. Jedoch kämpfen wir bis heute mit
Spätfolgen der Chemo. Konzentrationsschwierigkeiten, ein schlechtes Kurzzeitgedächtnis … Alles
KREBSLEXIKON
fatigue
Quälende Form von Müdigkeit und
Erschöpfung, die oft während und manchmal
auch noch nach der Tumorerkrankung auftritt.