Back Journal 11/2024 - Magazin - Seite 23
Wendejahr 1983. Nein, das wird jetzt keine Eloge auf 150 Jahre Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Die Verbandsorganisation hat sicher ihre Verdienste, aber wenn wir
den erfolgreichen Aufbau der Filialbäckereien auf einen Menschen reduzieren müssten, käme
uns zuerst der Herr auf dem Foto links in den Sinn. Dabei ist Ulrich Karcisky nicht einmal
Bäcker, er hat auch nie selbst eine Bäckerei geführt. Dem studierten Betriebswirt wurde es nur
im Jahre 1983 bei einer arg behördeten Handelsberatung zu langweilig, weshalb er in Osnabrück sein eigenes kleines Startup gründete, mit dem er sich auf die Beratung von Bäckern
konzentrierte. Dass es ausgerechnet Bäcker waren, kann als glücklicher Zufall gelten. Einen
Kreis zum Erfahrungsaustausch – vielleicht der erste systematisch organisierte Bäcker-Erfakreis der deutschen Geschichte – hatte er schon bei seinem alten Arbeitgeber betreut und
hier die Bäcker schätzen gelernt. Als Karcisky sich selbstständig machte, fragten die Bäcker
aus dem Kreis nach, ob er sie weiter beraten wollte. Die Unternehmen des – heute immer noch
legendären – Erfa-Kreises Nummer 1 betrieben damals im Schnitt drei bis fünf Fachgeschäfte,
wie sich Karcisky heute erinnert. Zum Erfakreis Nummer 1 kam bald eine Nummer 2 hinzu
und der Berater hatte so 27 bis 28 Bäcker unter seinen Fittichen. Die hatten sich am Anfang
gewundert, weil er eine nette Geste von ihnen nicht annehmen wollte, wie Karcisky berichtet:
„Man bot mir einen Fünfjahresvertrag an, aber das war für mich eine zu starke Beschränkung
der Unabhängigkeit.“ So galt bei Karcisky dann auch bis zum Ende seiner beruflichen Erfatätigkeit, dass Unzufriedene nicht aufgehalten werden. Eine kurze Mitteilung führte zum Ende
der Geschäftsbeziehung. Und das galt beiderseitig, denn Karcisky war auch bereit, sich von
zahlenden Mitgliedern zu trennen, wenn die einen Erfakreis aufhielten und nicht zur Arbeit
an sich selbst bereit waren. Über solche Fälle berichtet er heute – natürlich anonym – ganz
trocken und ohne Emotionen. Allgemeine Regel war immer die professionelle Distanz; auch
nach Jahrzehnten erfolgreicher Zusammenarbeit blieb man beim Sie, obwohl doch Lieferanten
in der Regel versuchen, mit ihren Kunden schnell auf die Du-Ebene zu kommen: „Das sorgt
für Abhängigkeiten, und die wollte ich nicht aufbauen.“ Wir gehen davon aus, dass diese Regel ebenfalls in beide Richtungen galt. Als eine gewisse Größe erreicht war, lud ihn seinerzeit
ein Bäko-Spitzenmanager zum Gespräch und machte einen Kooperationsvorschlag. Der gute
Mann war ziemlich erstaunt, als das damals noch kleine Beratungsunternehmen der großen
Einkaufsgenossenschaft einen Korb gab und das eigentlich unablehnbare Angebot zurückwies. „Wie sollte eine unabhängige Beratung funktionieren, wenn die Interessen des Großhandels dahinter standen“, begründet Karcisky den Beschluss heute. Gewachsen ist Karcisky rein
über Mundpropaganda. Die Bäcker gingen von fast jedem Treffen mit Ideen nach Hause, die
sich schnell umsetzen ließen und sofort auf den Gewinn einzahlten. Die Lieferanten mussten
lernen, dass ihre Kunden begonnen hatten, sich über Konditionen auszutauschen, und das
dürfte sich schnell auf die allgemeine Preisstruktur ausgewirkt haben. Vor allem musste aber
nicht jeder Erfabetrieb für sich allein das Management von Filialen erlernen, sondern konnte auf
die Erfahrungswerte von Kollegen zurückgreifen. Manche Bäcker mögen das Wort nicht gerne
hören, aber sie wurden – bei allen Unterschieden – zu Systembetrieben und erarbeiteten sich die
Fähigkeit, große Einheiten zu managen. Dabei hatten sie, wie Karcisky heute freimütig zugibt, viel
mehr Raum für Fehler als die heutige Unternehmergeneration. Geld war grundsätzlich leichter
zu verdienen, Fehler ließen sich dank günstiger Rahmenbedingungen leichter korrigieren und
vor allem gab es viel weniger professionell geführte Wettbewerber als heute.
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Strahlkraft. Unter diesen günstigen Bedingungen und wohl auch, weil Teile der Verbandsorganisation die Bedeutung der Erfa-Kreise nicht erkannten, wuchs und gedieh das kleine Startup.
Karcisky konnte erste Mitarbeiter – später Partner – wie Stephan Bocktenk einstellen und die
Beratungsgesellschaft inpraxi aus der Taufe heben. Allerdings war relativ schnell eine natürliche
Grenze des Wachstums erreicht: Mehr als 160 oder 150 Bäcker ließen sich nicht parallel betreuen,
wenn das Prinzip des Konkurrenzschutzes gewahrt werden sollte. Bis heute haben Erfa-Bäcker
ein Vetorecht, wenn ein direkter Wettbewerber aufgenommen werden soll. Entsprechend diversifizierte der Unternehmer Karcisky, indem den Bäckereien ein immer größeres Serviceangebot zur
Verfügung gestellt wurde. An der Stelle könnte ein kritischer Geist einwerfen, dass Karcisky sicher
die Erfakreis-Idee ins Bäckerhandwerk gebracht hat, letztlich aber direkt oder über Mitarbeiter nur
auf 150 Bäckereien Einfluss nehmen konnte. Dem würden wir entgegenhalten, dass a) praktisch
alle Marktbegleiter bis heute seinemModell folgen, b) er beim Erfolgsvergleich inpraxi die Vorga-
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