BJ 2024 11 - Flipbook - Seite 8
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BJ
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o
Kommentar von
Dirk Waclawek,
Chefredakteur
Die Trump-Angst.
Oder:
It’s the economy, stupid!
H
aben Sie seit dem 5. November einen plötzlichen Einbruch der Absatzzahlen registriert?
Nun, das Phänomen können wir erklären. Es ist die
Trump-Angst. Wie im Spiegel zu lesen, hat der Sieg
von Donald Trump bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen viele Deutsche völlig aus der Fassung
gebracht. Und wer sich angstvoll in seiner Wohnung
verbarrikadiert, kann nun einmal beim Bäcker keine
Frühstücksbrötchen mehr kaufen. Aus guten Gründen
beschäftigen wir uns an dieser Stelle nur selten mit
Politik. Aber wenn sie so direkte Auswirkungen auf den
Umsatz des Bäckerhandwerks hat, ist die Stunde für einen Selbstversuch gekommen. Jetzt habe ich mir keine
Trumprede direkt zu Gemüte geführt, so weit reichte
der Mut dann doch nicht. Aber auf Youtube kann man
diverse Bürgersprechstunden abrufen, in denen der
kommende Vizepräsident J. D. Vance den Anhängern
der Republikaner Rede und Antwort steht. Dafür habe
ich eine Stunde meiner Lebenszeit geopfert. Überraschung: Es ging nicht um die Frage, wie viele Hunde
und Katzen von illegalen Einwanderern gegessen werden. Otto Normalwähler interessierte sich viel mehr
für die Lösung von sehr handfesten Problemen wie Inflation, Lohnstagnation, Arbeitslosigkeit, Bürokratie,
steigenden Energiepreisen oder der Belastung kleiner
Unternehmen. Vance hatte auf alle Fragen eine Antwort
parat. Ob die in der Realität Bestand haben wird, sei
dahingestellt. Aber in Trumps Wahlkampfteam hatte
man sich zumindest mit den Problemen beschäftigt.
Vielleicht hatte sich ja ein Stratege der Republikaner
an die Regel erinnert, mit der der Demokrat Bill Clinton 1992 überraschend die Präsidentenwahlen gewinnen konnte: „It’s the economy, stupid!“ Es wäre nicht
schlecht, wenn der Grundsatz auch im nächsten Bundestagswahlkampf eine Rolle spielen würde – natürlich
gern basierend auf den anerkannten Grundsätzen der
Volkswirtschaftslehre. Vielleicht kann die Öffentlichkeitsarbeit des Bäckerhandwerks hier dem einen oder
anderen Wähler oder Politiker Nachhilfe geben. Das
sollte sogar möglich sein, ohne sich allzusehr in Parteipolitik zu verheddern.
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Back Journal 11/2024
150 Jahre Zentralverband:
Das Deutsche
Bäckerhandwerk feierte
A
m Vorabend der Trump-Wahl und des Bruchs der AmpelKoalition feierte der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks (ZV) das 150-jährige Bestehen seiner Verbandsorganisation. Zahlreiche Bäcker sowie Vertreter aus Partnerverbänden und Politik trafen sich am 5. November im Haus
der Kulturen der Welt in Berlin, um das besondere Jubiläum
zu begehen. In seiner emotionalen Festrede betonte Präsident
Roland Ermer einmal mehr die wichtige Rolle des Zentralverbands bei der Vertretung der Interessen des Bäckerhandwerks nach außen: „Wir haben den Auftrag, im Namen aller
Innungsbäcker die Rahmenbedingungen für das Bäckerhandwerk sicherzustellen und stetig zu verbessern. […] Nur mit
einer starken Interessenvertretung kann es dem deutschen Bäckerhandwerk gelingen, Ziele und Interessen zu formulieren,
in die Politik einzubringen und durchzusetzen.“ Auch schlug
er deutlich kritische Töne gegenüber der Politik an: „Uns fehlt
die Planungssicherheit. […] Wir brauchen mehr Eigenverantwortung. […] Es kann nicht sein, dass wir keine Leute mehr
finden, die bei uns arbeiten wollen, gleichzeitig der Staat aber
40 Milliarden Euro für Bürgergeld ausgibt.“ Dem entgegnete
ein sichtlich angeschlagener Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), der direkt aus dem Koalitionsausschuss in die „Schwangere Auster“ geeilt war, um
das Bäckerhandwerk zu würdigen, mit dem Versprechen: „Wir
arbeiten mit Hochdruck daran, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Ihre Betriebe weiter zu verbessern – damit Sie
Ihrem Handwerk bestmöglich nachgehen und die Menschen
weiterhin Ihre tollen Produkte genießen können.“ Ob sich Habeck selbst angesichts der nun anstehenden Neuwahlen noch
an der Einhaltung dieser Versprechungen messen lassen muss,
wird sich zeigen.
Foto: Zentralverband 2024
Fo
t
NACHRICHTEN
Für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (l.) war eine Kettensäge
in Anspielung auf seine jüngst gemachte Ankündigung, das umstrittene
Lieferkettengesetz „mit einer Kettensäge wegbolzen“ zu wollen, gebacken
worden. ZV-Präsident Roland Ermer überreichte sie ihm.