BJ 2024 11 - Flipbook - Seite 30
FINDEN UND BINDEN
Arbeitgebermarke
Foto: Bäckerei Armbruster 2022
Youtuberin Raffaela Zollo
– also eine Influencerin –
informierte sich in der Bäkkerei Armbruster über die
Arbeit eines Bäckers und
legte selber Hand an. Für das
Unternehmen war das gutes
Marketing. Im Bild zu sehen
sind Kameramann Jeremy,
Youtuberin Raffaela Zollo,
Severin Oberdorfer und
Jutta Armbruster-Oberdorfer
(v. l. n. r.).
der Künstler wenig später mit Aussagen auf sich aufmerksam, die
nicht dem Code of Conduct Aldi Nords entsprachen. Man distanzierte sich von ihm. Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel
der Bäckerei Armbruster (Schutterwald). Sie profitierte von der
Prominenz der Influencerin Raffaela Zollo („Raffas Plastic Life“),
deren Kanal eine Armbruster-Mitarbeiterin folgte. Sie schlug der
Geschäftsleitung vor, Raffa, die gerade eine Serie machte, in der
sie verschiedene Berufe kennenlernte, einmal einzuladen, um ihr
das Bäcker- und Konditorhandwerk zu zeigen. Die Aktion kostete
die Bäckerei Armbruster ein Lächeln – und war ein voller Erfolg,
das Video wurde zig-fach angeklickt. Ihre Umsätze konnte die
Bäckerei mit dieser Aktion vermutlich nicht steigern. Aber die
Aktion war auf jeden Fall dazu geeignet, sie als moderne Bäckerei
und attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren. Auch die Mitarbeiterzufriedenheit stieg mit Sicherheit an, weil die Geschäftsleitung
freundlich auf den an sie herangetragenen Wunsch eingegangen
war, die „Transfrau“ Raffa einzuladen.
Erfolgsvoraussetzungen. Damit Markenbotschafter systematisch in die Unternehmenskommunikation integriert werden
können, müssen nach Hoffmanns Auffassung 15 Bedingungen erfüllt sein: Da es darum geht, Mitarbeiter einzubeziehen, ist ihre
Bereitschaft, dabei mitzutun, am wichtigsten. Sie müssen also
zufrieden mit ihrer Arbeit und mit ihrem Arbeitgeber sein. Wenn
das nicht der Fall ist, dann sind sie – siehe das oben erwähnte
Diktum – dummerweise immer noch Markenbotschafter, nur
nicht im Sinne des Unternehmens; anstatt zu loben, lästern sie,
anstatt zu werben, warnen sie. Insofern geht das Bemühen um
eine gute Unternehmenskultur jedem Bemühen um Entwicklung
einer Markenbotschafterstrategie voraus. Die zweite wichtige Voraussetzung ist die Bereitschaft der Unternehmensleitung, sich
auf dieses Abenteuer einzulassen. Dazu zählt insbesondere die
Bereitschaft, selber aktiv als Markenbotschafter in Erscheinung
zu treten und den Mitarbeitern hier ein Vorbild zu sein. Drittens
bedarf es einer allgemeinen Unternehmensstrategie, in die die
Markenbotschafterstrategie eingebettet sein muss. Nur so kann
gewährleistet werden, dass sie zu einem messbaren Erfolg geführt
werden kann; wenn man sie zum Beispiel im Rahmen der Mitarbeitergewinnung einsetzt, müssen entsprechende Kennzahlen
entwickelt werden. Die weiteren von Hoffmann genannten Bedingungen sprechen für sich, sind teilweise selbsterklärend: Ein
ausformuliertes Leitbild ist ebenso wichtig wie Flexibilität, um
schnell auf sich verändernde Strukturen reagieren zu können.
Leitlinien für Corporate Influencer sollten erarbeitet und – ein
großes Ziel, leichthin formuliert – eine positive Fehlerkultur entwickelt werden. Die Beteiligten sollten Vorteile für sich erkennen,
wenn sie als Corporate Influencer aktiv sind, und auch die anderen
Mitarbeiter ausreichend über das Projekt informiert werden. Neben weiteren Voraussetzungen, die hier nicht einzeln aufgeführt
werden müssen, ist aber eine noch besonders wichtig: Die Geschäftsführung muss den Mitarbeitern Vertrauen schenken, denn
es geht bei ihrer Tätigkeit gerade um die Außenkommunikation
jenseits der Presseabteilung. Das ist für viele Vorgesetzte eine beängstigende Vorstellung, aber wer nicht aushält, so Hoffmann,
dass seine Mitarbeiter mit ihrer Persönlichkeit – und damit ein
Stück weit unkontrolliert – ein Aushängeschild der Firma werden,
sollte Abstand von dem Projekt nehmen.
Empfehlungen für die „Kleinen“. Die Frage, ob auch kleine
und mittelständische Unternehmen die Voraussetzungen mitbringen, um Corporate Influencer zu beschäftigen, ist schnell beantwortet: Was die „Großen“ können, können die „Kleinen“ auch;
die Größe ist nicht entscheidend. Nicht nur Wolfgang Süpke ist
es gelungen, eine Marke erfolgreich zu etablieren. Man kann auch
das „Bäckermädle“ Katharina Regele erwähnen, bei der die Person
mit der Funktion eine Symbiose eingegangen ist. Regele führt
eine Microbäckerei, die sie nach dem Spitznamen benannt hat,
den sie sich schon in ihrer Jugend durch ihre Leidenschaft fürs
Backen erworben hat. Sie und andere Bäcker zeichnen sich durch
Begeisterung und eine große Social-Media-Kompetenz aus, was
zwei wichtige Voraussetzungen sind, um eine Marke erfolgreich
aufzubauen. Hoffmann empfiehlt, sich in einem ersten Schritt
über die eigene Marke Klarheit zu verschaffen und darauf aufbauend die passenden Kanäle zu finden, über die man die Botschaft
in die Welt trägt. „Kanal“ muss allerdings nicht Instagram oder
Tiktok, also digitale soziale Medien, sondern kann auch bedeuten, dass man an Ausbildungsmessen teilnimmt und dort Netze
knüpft. Hoffmann empfiehlt, im Unternehmen für jeden Kanal,
den man für geeignet hält, einen geeigneten Mitarbeiter auszuwählen – oder für jeden Mitarbeiter einen für ihn geeigneten Kanal
auszuwählen oder neu zu etablieren. Ein Azubi im dritten Lehrjahr könnte dann auf der Messe interessierten Schülern Rede und
Antwort stehen. Auf diese Weise entsteht ein System, das spezifisch auf das eigene Unternehmen zugeschnitten ist und weder
sein Personal noch sein Budget überfordert.
Benno Kirsch
Über Instagram hat Katharina Regele ihre Marke „Bäckermädle“
gefestigt. Sie hat 12.400 Follower – eine stattliche Zahl.
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Foto: Screenshot https://www.instagram.com/baeckermaedle/ 2024