Geschaeftsbericht 2022 web - Flipbook - Seite 55
Marcus Wadsak
Leiter der ORF-Wetterredaktion
und Meteorologe
Klimakrise reloaded:
Wetter & Klima 2022
Der Klimawandel ist real und längst auch in Österreich
angekommen und für alle deutlich zu spüren. Erinnern
wir uns kurz zurück wie das Jahr 2022 begonnen hat:
mit wenig Schnee und hohen Temperaturen. Zu Silvester hatten wir +18,3°C in Berndorf in Niederösterreich
gemessen, am Neujahrstag waren es dann sogar 18,8°C
in Köflach in der Steiermark. Noch nie zuvor, seit wir
Temperaturen messen, und das tun wir in Österreich
seit mehr als 250 Jahren, war es zu Silvester so warm.
Doch nur ein Jahr später, also zum Jahreswechsel
2022/23 wurde selbst dieser Temperatur-Extremwert
überboten, und zwar gleich deutlich. Am 1. Jänner 2023
waren in Puchberg am Schneeberg 19,7 Grad am Thermometer abzulesen.
Wettereignisse,
die es so noch nie gegeben hat
Durch die von uns Menschen verursachte globale Erwärmung erleben wir immer öfter Wetter-Ereignisse, die es in
dieser Dimension noch nie gegeben hat. Nicht nur bei uns
in Österreich, sondern auch in Europa und weltweit. So
brachte das Jahr 2022 in Frankreich bereits am 16. Juni
40 Grad, so früh wie noch nie. In Japan wurden 40 Grad
überhaupt zum ersten Mal in der Geschichte schon im
Juni gemessen. Auf den Britischen Inseln feierten die 40
Grad überhaupt Premiere, das gab es hier noch nie. Hohe
Temperaturen und Trockenheit führten über das Sommerhalbjahr in vielen Teilen Europas zu Waldbränden, die sich
immer weiter ausdehnten.
Hitze und Dürre haben im vergangenen Jahr in ganz Europa sichtbare Spuren hinterlassen: Der Po in Italien und
Flüsse in Deutschland waren fast ausgetrocknet, und
auch in Frankreich wurde das Wasser in vielen Flüssen
so knapp, dass Atomkraftwerke nicht mehr ausreichend
gekühlt und vom Netz genommen werden mussten. In
Österreich ist der Zicksee im Burgenland vollständig ausgetrocknet, der Neusiedler See hat einen historischen
Tiefststand erreicht und ist so seicht wie noch nie seit
Messbeginn im Jahre 1965. Die Trockenheit macht auch
der Landwirtschaft zunehmend Sorgen und Schwierigkeiten. Die Gletscher schmelzen rasant dahin, und was lange
in Österreich undenkbar war, wird jetzt zum Thema: Wasserknappheit. Das hatte zur Folge, dass auch die Stromproduktion aus Wasserkraft zurückging.
Die Auswertungen der Geosphere Austria (vormals ZAMG)
zeigen uns, dass 2022 eines der drei wärmsten Jahre in
Österreich war. Damit ist 2022 aber keineswegs ein Ausreißer. Unter den 25 wärmsten Jahren der Messgeschichte
sind fast nur Jahre der jüngeren Vergangenheit. Seit dem
Jahr 2000 liegen in Österreich alle Jahre bei der Temperatur über dem langjährigen Mittel. Was den Regen betrifft,
so zeigen die Klimatolog*innen, dass uns österreichweit
15 % des üblichen Niederschlags im vergangenen Jahr
fehlen. Damit zählt 2022 zu den 15 trockensten Jahren seit
Beginn der Aufzeichnungen. Und wenn schließlich Regen
fällt, handelt sich immer öfter um extrem starke Regengüsse, die lokal zu starken Unwettern werden. Überflutungen und Vermurungen sind die Folge. Der Juni war in
Österreich der blitzreichste Monat seit wir Blitze orten und
zählen.
Es muss uns klar sein, dass eine wärmere Atmosphäre
mehr Energie beinhalten kann, die sich immer wieder
auch in starken Unwettern entlädt. Das Jahr 2022 hat Österreich überdurchschnittlich viel Sonnenschein beschert,
besonders sonnenreich ist dabei der März verlaufen, in
dem es rund 50 % mehr Sonnenschein gab als sonst üblich. Viel Sonnenschein und reichlich Wind halfen uns
günstig Energie zu gewinnen. Zum ersten Mal lieferten Solar- und Windanlagen in Europa mehr Energie als Erdgas.
Abweichung vom Temperatur-Mittel (1961 – 1990 in °C)
2°
1°
0°
-1°
-2°
1780
1800
1820
1840
1860
1880
1900
1920
1940
1960
1980
2000
2020
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