Magazin KINDgerecht Ausgabe 2-2023, November: Wie bildet man eine Demokratie? Mitwirkung von Kita-Kindern als Zukunftsaufgabe - Flipbook - Seite 6
Toleranz
Unsere heutige demokratische Gesellschaft ist geprägt von
Vielfalt. Das zeigt sich bereits in den Kindertageseinrichtungen: hier verbringen Kinder verschiedenster Herkunft, mit ganz
unterschiedlichen Eigenschaften einen großen Teil des Tages
miteinander. Auch die Teams sind heterogen, ebenso wie die
Familien der Kinder. Ein harmonisches Miteinander kann nur
funktionieren, wenn sowohl die Gemeinsamkeiten als auch
die Besonderheiten aller Beteiligten im pädagogischen Alltag
ihre Beachtung 昀椀nden und toleriert werden. Deshalb besteht
eine Aufgabe von pädagogischen Fachkräften darin, die Kinder so früh wie möglich für die Verschiedenheit von Menschen
zu sensibilisieren. Vielfalt kann den Kindern in Projekten oder
Spielen nähergebracht werden, zeigt sich aber auch in der
Einrichtung selbst. Durch eine Vielfalt an Materialien und Büchern wird Diversität sichtbar gemacht.
wichtigsten Fähigkeiten beim konstruktiven Streiten ist, seine
Meinung auf eine angemessene Art und Weise äußern und argumentieren zu können, ohne andere Menschen zu verletzen.
Freie Meinungsäußerung heißt eben nicht, dass man das
Recht hat jemanden zu unterdrücken, herabzusetzen oder
gar zu diskriminieren. Das sollte so früh wie möglich mit Kindern
besprochen werden. Eine tolle Lösung, um Streit und Kon昀氀ikte
konstruktiv anzugehen, hat der FRÖBEL-Kindergarten P昀椀f昀椀kus
mit dem Streitschlichterteppich (mehr dazu auf S. 43) gefunden. Mithilfe dieses Teppichs können die Kinder nun ihre Meinungsverschiedenheiten untereinander eigenständig klären –
ohne ein Eingreifen der Erwachsenen.
Konstruktiv streiten
So harmonisch wie die Worte „Toleranz“ und „Akzeptanz von
Vielfalt“ auch klingen, Demokratie kommt selten ohne Meinungsverschiedenheiten und Kon昀氀ikte aus. Streit und Kon昀氀ikte
gehören genauso zu einer demokratischen Gemeinschaft
wie Respekt und Toleranz. Demokratie „… ist dazu angelegt,
ohne Gewalt bei unterschiedlichen und gegenläu昀椀gen Interessen zu Entscheidungen zu kommen, die gemeinschaftsfördernd und für alle verbindlich sind“3. Und genau das gilt auch
für das tägliche Miteinander in einer Kindertageseinrichtung.
Es geht nicht darum, dass alle immer einer Meinung sein müssen. Wichtig ist, wie wir mit den unterschiedlichen Meinungen
und damit verbundenen Interessen umgehen. Wenn wir lernen, konstruktiv mit Kon昀氀ikten umzugehen, können sie unser
Sozialverhalten positiv beein昀氀ussen. Kon昀氀iktkompetenz muss
sich erst entwickeln und entsprechend gefördert werden,
ähnlich wie die meisten anderen Kompetenzen. Eine der
3 Michell, Doris (2019): Demokratie braucht Regeln – Grundlagen für Demokratiepädagogik in der Kita. In: Schneider, Armin / Jacobi-Kirst, Carmen
(2019): Demokratiepädagogik in Kindertageseinrichtungen. Partizipation
von Anfang an. Opladen, Berlin, Toronto: Verlag Barbara Budrich. S. 13-23.
6
Frühe politische Bildung
Kinder nehmen die Welt um sich herum wahr und werden von
politischen, gesellschaftlichen und familiären Entscheidungen
mit beein昀氀usst. Deshalb lohnt es sich, auch schon mit kleineren Kindern über Politik zu sprechen. Man kann Kinder zum Beispiel fragen, ob sie wissen, wer in unserem Land „der Chef“
oder „die Che昀椀n“ ist und die Entscheidungen trifft. Aus solchen offenen Fragen können sich spannende Gespräche
entwickeln. Mit einfachen Mitteln wie Bildkarten, Büchern
oder Erklärvideos kann Kindern das demokratische System nähergebracht werden. Gerade Videos sollten allerdings mit Bedacht ausgesucht und den Kindern nicht unre昀氀ektiert gezeigt
werden. Sprechen Sie hinterher mit den Kindern über das Gesehene. Gehen Sie auch darauf ein, dass es in anderen Ländern andere politische Systeme geben kann und was das
heißt, so können Sie auch das kritische Denken der Kinder fördern. Eine freie und kritische Meinungsbildung ist insbesondere in einer Demokratie von zentraler Bedeutung. Nur wer ein
eigenes Meinungsbild hat, kann eine Stimme abgeben und so
selbst Ein昀氀uss auf das politische Geschehen nehmen. Manchmal reicht es auch, sich selbst nur Ideen aus solchen Kurzclips
zu holen und dann eigene Materialien zu erstellen oder auszusuchen. Auch durch die Vernetzung im Sozialraum mit Politikerinnen und Politikern aus dem Wahlkreis der Kita oder
durch Aus昀氀üge zu politischen Orten (wie zum Beispiel Wahlkreisbüros oder Rathäusern) können Kinder an Politik herangeführt werden. Bei all diesen Angeboten und Aktivitäten ist es
besonders wichtig, das Alter beziehungsweise den Entwicklungsstand der Kinder zu berücksichtigen. Politik ist ein komplexes Thema und Kinder brauchen einen ausreichenden kognitiven und sprachlichen Entwicklungsstand, um sich eingehend damit auseinanderzusetzen.