Magazin KINDgerecht Ausgabe 2-2023, November: Wie bildet man eine Demokratie? Mitwirkung von Kita-Kindern als Zukunftsaufgabe - Flipbook - Seite 45
Position
AUF DIE FACHKRAFT
KOMMT ES AN!
Wer Demokratie fördern und erhalten
will, muss schon sehr jungen Menschen
demokratische Erfahrungen ermöglichen. Die Kita hat die Aufgabe, Kinder
auf eine vielfältige, pluralistische
Gesellschaft vorzubereiten und gelebte
Demokratie erfahrbar zu machen.
Im aktuellen Bildungsverständnis sind
Kinder in ihren Rechten auf Würde,
Selbstbestimmung sowie freier Meinungsäußerung zu beteiligende Gestaltende
ihrer Entwicklung und Lebenswelt.
Alle Kinder, ungeachtet des Geschlechts, der Herkunft, Religion, Lebensweise und Alters, haben das Recht, in ihrer Individualität wertgeschätzt und gefördert zu werden. Für Bildungsprozesse brauchen Kinder ein positives Selbstbild. Wir wissen
heute mehr über die Auswirkungen von Diskriminierung sowie
fehlender Selbstwirksamkeitserfahrungen und wie sie das Lernen und Leben junger Kinder beein昀氀ussen. Zugleich herrscht
entlang der gesamten Bildungskette ein eklatanter Mangel
an pädagogischen Fachkräften. In Deutschland fehlen bis
2030 rund 230.000 Kita-Fachkräfte in der frühen Bildung, laut
Zahlen der Bertelsmann Stiftung allein benötigt Berlin in diesem Zeitraum rund 8.500 Erzieherinnen und Erzieher.
Berliner Träger-Bündnis fordert mehr Personal
Im September 2021 veröffentlichte die Kita-Stimme.berlin, ein
Bündnis aus über 30 Kita-Trägern, ein Positionspapier, das mehr
quali昀椀ziertes Personal für professionelle Demokratiebildung in
den Berliner Kitas fordert. Insbesondere die Corona-Pandemie
offenbarte – neben gesundheitlichen und wirtschaftlichen Risiken – auch Herausforderungen für unsere Demokratie, die
unter anderem an erbittert geführten gesellschaftlichen Diskursen und einer neuen Qualität verhärteter politischer Positionen ablesbar waren.
In der Kita lernen Kinder alltagsintegriert früh, andere Kulturen,
Religionen und Meinungen zu akzeptieren. Sie üben in Gremien wie Kinderparlamenten, für ihre individuellen Interessen
oder die einer Gruppe zu argumentieren, Kompromisse zu
schließen und auch einmal Frustration auszuhalten. Das sind
Kernkompetenzen, um in der offenen pluralistischen Gesellschaft in Gegenwart und Zukunft zurecht zu kommen und in
einem friedlichen und demokratischen Diskurs miteinander zusammenzuleben.
Pädagogische Fachkräfte haben die Verantwortung, abwertende Botschaften zu erkennen und sich gegenüber Ausgrenzungen und Abwertungen zu positionieren, eingebettet in ein
inklusives Konzept, in dem die Kinder- und Menschenrechte
beachtet und gestärkt werden. In diesem Kontext setzen sich
Fachkräfte mit ihrer Haltung und Rolle selbstre昀氀exiv auseinander und sind sich ihrer eigenen Machtposition bewusst.
Die Kita-Stimme.berlin illustriert in ihrem Positionspapier anhand von Szenarien aus dem Kita-Alltag, welche Folgen Zeitmangel oder durch Personalmangel bedingte Abwesenheit
von Fachkräften für Kinder haben können. Was kann passieren, wenn Kita-Fachkräfte zu viele Kinder betreuen müssen
oder von organisatorischen Aufgaben so belastet sind, dass
sie keine Aufmerksamkeit für die Beobachtung der Kinder, geschweige denn bei Bedarf Zeit zu vermittelndem Einschreiten
hätten? Wir stellen ein Beispiel exemplarisch vor.
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