Magazin KINDgerecht Ausgabe 2-2023, November: Wie bildet man eine Demokratie? Mitwirkung von Kita-Kindern als Zukunftsaufgabe - Flipbook - Seite 41
Die FRÖBEL-Einrichtungen in Australien begreifen dies als Aufgabe der frühen Bildung und beziehen die indigene Kultur im
Rahmen des Programms „Aboriginal and Torres Strait Islander
Perspectives” in das pädagogische Konzept ein. Die Kinder
lernen durch Kunstprojekte, Besuche von Aboriginal Elders,
den Stammesältesten, Bücher und Geschichten mehr über
die Traditionen und Lebensweise der Aboriginal People. Auch
mit der lokalen Dharug-Sprache werden die Kinder vertraut
gemacht, indem Wörter wie „Wasser“ in den pädagogischen
Alltag integriert und gemeinsam Lieder gesungen werden.
Ein Höhepunkt sind Aus昀氀üge in Begleitung eines Aboriginal Elders, beispielsweise zu einem „Bush Reserve“ in der Nähe von
FROEBEL St Leonards Early Learning Center. Hier lernen Kinder
und Fachkräfte viel über die einheimischen P昀氀anzen und Bäume und wie die Aboriginal People diese nutzen. Besonders
fasziniert sind die Kinder immer bei der Vorführung des traditionellen Wurfstocks Bumerang. Ursprünglich ein Jagdwerkzeug, wird der Bumerang in der Neuzeit auch als Sportgerät
genutzt.
„Wir glauben, dass Versöhnung nur in Zusammen
arbeit mit unseren Kindern, ihren Familien,
allen Teammitgliedern, den Aboriginal und den
Torres Strait Islander People sowie der breiteren
Gemeinschaft erreicht werden kann.“
„Es ist unfair, wenn Menschen einfach ihr Haus weg
genommen wird!“ Kind, 5 Jahre
Die pädagogischen Fachkräfte teilen solche Lernerfahrungen mit den Familien, indem sie Einblicke in das Projekt geben,
relevante Artikel oder auch Informationen zu Aktionen zur Unterstützung der Aboriginal People weitergeben. Auch werden
Eltern eingeladen, an Aus昀氀ügen oder beispielsweise traditionellen Rauchzeremonien der Aboriginal People teilzunehmen. Viele Familien haben sich bereits mit der Geschichte der
First Nations People beschäftigt und sind sehr offen und interessiert, andere haben (noch) keine starke Verbindung zu diesem Thema. Umso wichtiger, das Interesse der Kinder an historischen und sozialpolitischen Themen aufzugreifen und sie für
Vielfalt und Diversität zu begeistern.
Buchtipp
Adam Goodes/Ellie Laing/David
Hardy (Illustrationen):
„Somebody’s Land: Welcome to
Our Country“
(A&U Children’s, 2021)
(aus dem „Reconciliation Action Plan (RAP)“ von
FROEBEL St Leonards Early Learning Center)
Das Programm wird für jede Altersgruppe etwas unterschiedlich umgesetzt. Besonders mit den jüngsten Kindern besuchen
die pädagogischen Fachkräfte wiederholt dieselben Orte,
damit sie eine Beziehung zum Ort aufbauen und beispielsweise die Veränderungen der Umgebung, den Wechsel der Jahreszeiten usw. wahrnehmen und darüber sprechen können.
Schließlich ist die Verbindung mit der Natur, den Tieren und
P昀氀anzen sowie deren Schutz und Erhaltung ein wesentlicher
Teil der Kultur der Aboriginal People.
Die älteren Kinder besuchen darüber hinaus Museen und Ausstellungen, die Kunstwerke oder andere Aspekte der Kultur
der Aboriginal People zeigen. Mit ihnen sprechen die pädagogischen Fachkräfte auch über geschichtliche Themen wie
die Kolonisierung. Genutzt werden dabei Bücher und Geschichten, die auf altersgerechte Weise erzählen, was geschah, als die ersten Europäerinnenn und Europäer in Australien ankamen. Die Kinder können sich sehr gut mit der Geschichte identi昀椀zieren, diskutieren engagiert über Fragen von
Recht und Unrecht und reagieren mit Empathie und Trauer.
Um die Geschehnisse auf die Lebenswirklichkeit der Kinder zu
übertragen, überlegten die Fachkräfte und Kinder beispielsweise gemeinsam, wie sie sich fühlen würden, wenn jemand
ihnen das Haus wegnehmen würde. Die Fachkräfte nehmen
dabei immer wieder, teilweise neu erarbeitete, Weiterbildungsangebote wahr, um zu lernen, wie diese kulturellen und
geschichtlichen Aspekte auf angemessene Art und Weise im
Kita-Alltag eingebaut werden können.
Über das Programm
Die Perspektiven der Aboriginal und der Torres Strait Islander People sind Teil des „Approved Learning Framework
(Early Years Learning Framework EYLF)“, das die Grundlage
des Programms bildet. Jedes australische Early Learning
Center – so auch alle fünf Einrichtungen von FROEBEL Australia – muss über einen „Reconciliation Action Plan (RAP)“
verfügen, der detailliert beschreibt, auf welche Weise ein
Unternehmen oder eine Organisation respektvolle Beziehungen zwischen allen Australierinnen und Australiern und
insbesondere zu den australischen First Nations People aufbaut. Ziel ist es, Maßnahmen zu ergreifen, um gegenseitiges Verständnis und Respekt zu erreichen.
www.reconciliation.org.au/
reconciliation-action-plans
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