Magazin KINDgerecht Ausgabe 2-2023, November: Wie bildet man eine Demokratie? Mitwirkung von Kita-Kindern als Zukunftsaufgabe - Flipbook - Seite 31
terstützen die Kinder in ihrer Welterkundung und laden sie ein, andere Kulturen
und Lebensweisen als die eigenen kennenzulernen.“
Dr. Ane Kleine-Engel, Leiterin ANOHA
Natalie Kronast: „An diesem Beispiel wird
sichtbar, wie frühkindliche kulturelle Bildung Partizipation von Beginn an fördern kann und auch auf Partizipation
angewiesen ist. Dabei werden Fragen
von Meinungs- und Deutungsvielfalt
ebenso berührt wie Diversität, Nachhaltigkeit, Inklusion und Vielfalt.“
Ane Kleine-Engel: „Museen können heute vor allem eines sein: Orte für Begegnungen. Aufgabe von Museen ist es, Teilhabe für alle zu ermöglichen. Ganz aktuell entwickelt der Kinderbeirat die
neue Wechselausstellung für ANOHA.
Auch das geschieht als gemeinschaftlicher Prozess. ‚Was willst du ausstellen?‘
trifft auf die Frage ‚Was willst du in einer
Ausstellung sehen?‘ Da handeln wir
dann gemeinsam aus, welche Exponate, die unsere Besucherinnen und Besucher im offenen Atelier geschaffen haben, im Zentrum der Vitrinen stehen und
wann es um ‚den Raum vor der Vitrine‘
geht, also um die Betrachtenden.“
Natalie Kronast: „Wenn wir also Kinder
nicht nur in ihrer Betrachtung von Kunst
und Kultur ernst nehmen, sondern sie aktiv in künstlerische und kuratorische Gestaltungsprozesse einbeziehen, ermöglichen wir ganz automatisch Selbstwirksamkeit und eröffnen damit demokratische Bildungsprozesse. Dies ist aber
noch zu oft auf explizite Kinderkunstorte
beschränkt, vermeintliche Erwachsenenkulturorte tun sich aus unserer Erfah-
rung oft noch schwer, die Betrachtenden in Gestaltungsprozesse einzubeziehen und Vermittlung von Beginn an partizipativ anzugehen.
Ane Kleine-Engel: „Als Teil eines Jüdischen Museums in Deutschland, wo Judentum von den Besuchenden oft begrenzt auf den Holocaust wahrgenommen wird, will ANOHA unter anderem einen positiven emotionalen Zugang
schaffen. Judentum ist viel mehr als der
Blick auf auf den Massenmord oder auf
eine ,fremde Religion‘. An die Sint昀氀utGeschichte können wir aktuelle Fragen
knüpfen. Wenn ich angesichts der im
Narrativ überlieferten Flut im ANOHA Diskussionen um Klima- und Artenschutz
miterlebe und die Kinder dann gemeinsam den vom Aussterben bedrohten Eisbären an Bord ziehen, oder in Workshops
gemeinsam diskutiert wird, was man aus
Worten alles machen kann – vom Geschichtenerzählen über Diskussionen
zum Umgang miteinander auf der Arche
bis zum Fragenstellen – dann sind wir mitten in einem Vermittlungsauftrag, der nie
abgeschlossen sein wird. Das fordert
uns Erwachsene genauso wie die Kinder
heraus.“
Natalie Kronast: Kulturelle Bildung heißt
auch das Wissen um kulturelle Vielfalt. So
geht es gerade in der frühkindlichen kulturellen Bildung nicht nur um den Zugang zu kulturellen Praktiken oder ausgestellten Objekten. Kulturelle Orte un-
Ane Kleine-Engel: Wichtig ist, dass wir
nicht das „Eigene“ gegen das „Andere“
in Konkurrenz setzen. Im ANOHA geht es
nicht darum, das Jüdische als das zu
respektierende „andere“ zu vermitteln,
während man sich der eigenen Identität
in Abgrenzung dazu bewusst wird. Es
geht darum, dass es einfach unterschiedliche Sichtweisen, Kulturen, Diskussionsstile oder Rituale gibt. Nehmen
wir die Fragen, die wir in Workshops verhandeln: Wer darf an Bord der Arche?
Sind es alle Tierarten oder nur solche mit
besonderen Eigenschaften? Wer von
uns darf das entscheiden? Wie wollen
wir uns darüber verständigen? Ist das immer gleich oder kann sich das auch ändern? Nicht das Wissen über andere,
sondern die Fragen, die wir einander
stellen, machen die Begegnungen
spannend, lehrreich und wertvoll.“
Natalie Kronast,
Leiterin der Abteilung
Engagementförderung,
Kulturelle Bildung
und Kooperationen
bei FRÖBEL
ANOHA, die Kinderwelt des Jüdischen
Museums Berlin, ist ein Ort zum Entdecken, Ausprobieren und Spielen für
Kinder im Kita- und Grundschulalter.
ANOHA nimmt die Erzählung der Arche Noah aus der Tora als Startpunkt
für eine Reise in die Zukunft. Im Zentrum
stehen eine riesige Arche aus Holz, 150
verschiedene Tiere – und die Kinder
selbst. Ein eigens initiierter Kinderbeirat
arbeitet aktiv an der Entwicklung und
Weiterentwicklung des Museums mit.
Die Kinder im Beirat sind zwischen 8
und 11 Jahre alt.
FRÖBEL ist ebenso wie ANOHA Gründungsmitglied des Netzwerks Frühkindliche Kulturelle Bildung.
www.netzwerk-fkb.de
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