Magazin KINDgerecht Ausgabe 2-2023, November: Wie bildet man eine Demokratie? Mitwirkung von Kita-Kindern als Zukunftsaufgabe - Flipbook - Seite 14
Forschung
Verstehen Kinder Politik,
Journalismus und Medien?
Wer im demokratischen Miteinander
berichtet über den Forschungsstand
deren Fokus auf die Welten der Politik und des Journalismus
aufklären. Seine normative Legitimation leitet das Projekt dabei u. a. aus der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ab, die in Artikel 12 nicht nur die Berücksichtigung des Kindeswillens „in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten“
postuliert, sondern in Artikel 17 auch „die wichtige Rolle der
Massenmedien an[erkennt]“ (BMFSFJ 2018: S. 16). PoJoMeC
geht daher der Frage nach, inwiefern Vorstellungen von Kindern im Vor- und Grundschulalter hinsichtlich Politik, Medien
und Journalismus und deren Zusammenwirken vorhanden
sind und wie sie sich entwickeln.
und die Ziele dieses Projekts.
Theoretischer Hintergrund
mitwirken möchte, braucht Wissen und
Kompetenzen. Ob Kinder über „Civic
Literacy“ verfügen, untersucht ein aktuelles Forschungs- und Medienprojekt
der TU Dortmund. Prof. Dr. Thomas Goll
Wie Luhmann versteht Rath „Medien als Weltvermittler und
Weltbildgeneratoren, die unser Bild von Welt und Mensch gestalten und prägen“ (Rath 2014: S. 86). Dies gilt in besonderem
Maß für die Welt der Politik. Medien erfüllen wesentliche Funktionen für die Gesellschaft: Sie stellen Öffentlichkeit und damit
Transparenz her, bieten Information und Kritik, ermöglichen
damit Kontrolle und wirken dadurch an der politischen Meinungsbildung der Bürgerschaft mit (vgl. Meier 2018: S. 14ff).
In der ihm eigenen Zuspitzung beschreibt der Soziologe Niklas Luhmann den Zusammenhang von Massenmedien und
Weltwissen: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die
Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“ (Luhmann 2016: S. 9). Auch wenn Jo Reichertz einwendet, dass diese Engführung so nicht stimmen könne, weil
wir doch „[d]as meiste“ eben nicht über Massenmedien,
sondern „von unseren Mitmenschen „Kinder wollen und sollen sich eine politi
oder unseren Begegnungen mit der
sche Meinung bilden und diese auch
Welt gelernt [haben]“ (Reichertz 2009:
S. 17), kann man doch die Bedeutung äußern. Inwiefern wirken Massenmedien
der Massenmedien für die „Konstrukti- auf die Weltsicht und die Einstellungen
on der Realität“ (Luhmann 2016: S. 95) junger Kinder? Das versuchen wir mit
kaum überschätzen.
PoJoMeC herauszu昀椀nden.“ Prof. Dr. Thomas Goll
Das Forschungsprojekt „Politik, Journalismus, Medien – Konzepte von Kindern in Vor- und Grundschulalter“ (PoJoMeC;
Laufzeit 2022–2025) will den gerade beschriebenen Zusammenhang von Medien und Weltverständnis mit einem beson-
Das gilt auch für Kinder. Ein Kind, so
die Kinderrechtskonvention der
Vereinten Nationen, ist grundsätzlich fähig, „sich seine eigene Meinung zu bilden“. Daher steht ihm
auch „das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten frei zu äußern“ (BMFSFJ 2018: S. 15), um
sie so möglichst wirksam einzubringen. Um das im Kontext von
Politik zu können, benötigen Kinder jedoch „Civic Literacy“, d.
h. das Wissen und die Fähigkeit, ihrer politischen Welt Sinn zu
geben (Milner 200: S. 1).
Forschungsstand
Ob Kinder tatsächlich über diese Fähigkeit verfügen, ist gegenwärtig noch nicht gesichert bzw. wird unterschiedlich gesehen.
Zwar ist inzwischen „allgemein anerkannt, dass das Politische
für Kinder relevant ist“ (Richter 2007: S. 10; vgl. Goll & Schmidt
2021), aber die Forschung ist zumeist auf politisches Wissen bezogen, das häu昀椀g am Maßstab wissenschaftlich richtiger Fachkonzepte gemessen wird. Als Folge davon wird das kindliche
Wissen über Politik oft als de昀椀zitär gedeutet. Es gilt als beschränkt und unverbunden, gekennzeichnet von Fehlkonzepte
und -vorstellungen (vgl. Gläser & Becher 2020; Götzmann 2015).
Das lässt die kindliche Fähigkeit, ihrer Welt Sinn zu geben und
diesbezüglich eigene Ideen zu entwickeln (vgl. Berti 2005; Sullivan et al. 2020), mitunter in den Hintergrund treten.
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