240529 KINDgerecht 210x285 Inhalt Einzelseiten hochaufgeloest WEB 01 - Flipbook - Seite 13
Diese Frage wird in der Bildungspolitik seit einiger Zeit wieder heiß
diskutiert. Unterschiedliche Meinungen und Interessen stoßen aufeinander,
ob die Verantwortung für die Bildungsarbeit einer Vorschule noch in der
Kita oder in der Schule stattfinden soll.
Erik von Malottki, MdB SPD-Fraktion
„Kitas leisten entscheidende
Bildungsarbeit, wenn die Bedingungen stimmen. Gute Bil-
Niels Espenhorst, Referent Kindertagesbetreuung, Der Paritätische
Gesamtverband
„Nicht für die Schule lernen wir, sondern für
dungsarbeit gelingt dann, wenn qualifiziertes Personal ausrei-
das Leben. Das gilt insbesondere für Kitas, die von einem
chend Zeit für jedes Kind hat und auf dessen individuellen Be-
ganzheitlichen Bildungsverständnis ausgehen und die die In-
dürfnisse eingehen kann. Dazu bedarf es auch genügend Zeit
teressen der Kinder zum Ausgangspunkt für vielseitige Bil-
für mittelbare pädagogische Arbeit und Weiterbildungen. Zu-
dungserfahrungen machen. Bildungsprozesse in Kitas finden
sätzlich braucht es in jeder Kita Fachkräfte für alltagsinteg-
daher permanent statt, oft geradezu beiläufig. Trotzdem
rierte Sprachbildung und mehr Praxis- und Fachberatung, um
nehmen derzeit Bildungsbenachteiligungen weiter zu. Dass
die pädagogische Qualität im gesamten System zu stärken.“
liegt aber nicht an der fehlenden Vorschule, sondern an der
unzureichenden Ausstattung von Kitas und dem in vielen
Ländern begrenzten Zugang zu Kitas, insbesondere für Kin-
Katharina Günther-Wünsch, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie
in Berlin
der in benachteiligenden Lebenslagen.“
„In Kitas wird weit mehr als nur Betreuung geboten –
sie fungieren als erste Bildungsinstitution im Leben eines Kindes. Unser Ziel ist es, Kindern von Anfang an Zugang zu Teilhabe und Bildungschancen zu ermöglichen. Die Grundlagen
dafür, insbesondere sprachliche Kompetenzen, werden bereits
in Kindertagesstätten vermittelt. Das Kita-Chancenjahr ist
hierbei ein bedeutsamer und bundesweit einzigartiger Schritt,
um Kindern mit unzureichenden Sprachkenntnissen einen
besseren Start zu ermöglichen. Kindertagesstätten bereiten
Kinder so auf ihren weiteren Bildungsweg vor und tragen dadurch wesentlich zur Qualität in der frühkindlichen Bildung bei.“
Lisa L., Mutter
„Für meine beiden Kinder fand Vorschule in der
Kita statt und es war aus meiner Sicht ein wichtiger Schritt hin
zum Schulkind. Sie grenzten sich in dieser Zeit mental von den
Kleineren ab, fühlten sich besonders. Es war ein Jahr der Aufmerksamkeit, des „zu den Großen“ gehören und „schaut her,
ich komme in die Schule“. Eine Zeit des langsamen Loslassens,
ohne sich bereits verabschieden zu müssen. Für Beide war es
gut, diese Zeit in der Kita erlebt zu haben und so Schritt für
Schritt Richtung Schule geleitet worden zu sein.“
Ewelina Eschner, Leiterin im Fröbel-Kindergarten An der Raa in Pinneberg
„Die Kita spielt eine wichtige Rolle bei der Vorbereitung von
Kindern auf die Schule. Durch die tägliche Interaktion mit
den Kindern entwickeln pädagogische Fachkräfte ein Ver-
Dr. Meike Sauerhering, Transferwissenschaftlerin im Niedersächsischen
ständnis für ihre individuellen Stärken, Bedürfnisse und
„Kindertagesein-
Entwicklungsstände. Dies ermöglicht es ihnen, gezielte Un-
richtungen sind der erste institutionelle Bildungsort. Kinder
terstützung und Anleitung in einem vertrauten Setting zu
werden hier in ihrer Persönlichkeitsentwicklung sowie in viel-
bieten, um die Kinder optimal auf den Übergang zur Schule
fältigen Kompetenzbereichen gefördert. Zugleich können sie
vorzubereiten. Die Zusammenarbeit mit Familien ist nied-
Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung
sich als Teil einer Gemeinschaft erleben. Sie lernen im Klei-
rigschwellig und engmaschig möglich, es findet ein regel-
nen wie im Großen mit Übergängen umzugehen – was für die
mäßiger Austausch in der Bildungseinrichtung statt, sei es
Bildungsbiografie ebenso entscheidend ist wie Vorläuferfä-
durch geplante Gespräche oder auch die täglichen `Tür-
higkeiten, an die im Anfangsunterricht angeknüpft werden
und Angelgespräche`. Insgesamt schafft die Kita ein unter-
kann. Wichtiger als die Frage „Vorschule ja oder nein?“ ist
stützendes Umfeld, in dem die Kinder nicht nur lernen und
eine gelingende institutionelle Übergangsgestaltung zwi-
sich entwickeln, sondern auch Selbstvertrauen aufbauen
schen Kita und Grundschule auf Augenhöhe und mit entspre-
und sich auf die Herausforderungen des Lebens und der
chenden Ressourcen für alle Beteiligten.“
Schule vorbereiten können.“
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