ALT EXAMPLE - MAGAZINE - KOMPETENZ - Flipbook - Seite 18
18 FÜHRUNG
Dominic: Ja, so ist es. Auch ich würde
nie das Alte in Frage stellen bzw. schlecht
reden. Es gab Zeiten, da war das gut und
richtig, dass es diese alten „Systeme“ gab.
Sonst gäbe es diese ganzen Industriemagnaten Daimler, Bosch, Thyssen und
wie sie alle heißen nicht. Deswegen war
es zu der Zeit gut und richtig. Und doch
verändert sich die Arbeitswelt ständig,
es verändern sich Ansprüche, die Mitarbeiter verändern sich, und man muss
einfach neue Ideen zulassen. Deshalb
sage ich, Tradition ist wichtig und wird
noch wichtiger in der Zukunft: Wir
müssen wieder eine gewisse Haltung zu
Menschen und Dingen entwickeln. Wir
müssen Werte weiterentwickeln und
weitergeben, und ich denke, dass wir da
gerade an einem Scheideweg stehen. Wir
müssen das gemeinsam hinbekommen,
also die ältere, meine Generation und
die jüngere, also Tobias‘ Generation.
Das Wertethema ist auch euer beider
Thema. Ihr helft Unternehmen, ihre
Werte zu behalten und den Schritt in
die neue Arbeitswelt zu gehen und den
Wandel zu bestreiten. Inwiefern helft
ihr den Unternehmen konkret dabei?
Tobias: Zuerst gilt es, Bewusstsein zu
schaffen. Wo steht das Unternehmen?
Wie ist der Blick in die Gesellschaft, und
wie passen die äußeren Umstände? Es
wird nur funktionieren, wenn wir diese
Dinge miteinander betrachten. Ich kann
nicht ignorieren, was in der Welt da
draußen passiert, darf es aber auch nicht
überbewerten.
Vor einigen Wochen habe ich einen
ausführlichen Kommentar geschrieben
„Auch Coaches brauchen Coaches“, und
daran glaube ich. „Wenn der Prophet im
eigenen Land nicht funktioniert“, ist es
wichtig, dass das Unternehmen jemanden findet, der von außen draufschaut,
unterstützt und den praktischen Ansatz
gibt.
Ich glaube, dass in der heutigen Welt die
klassische Unternehmensberatung nicht
mehr der Weg ist, indem man nur feststellt und sagt, was falsch läuft. Ich glaube,
Menschen brauchen Lösungen, an denen
sie beteiligt werden. Die Lösung ist nicht
mehr die klassisch vorgegebene Lösung,
sondern der Weg dahin unter Berücksichtigung von Mindset, Denken und Handeln – und dann werden die am Prozess
Beteiligten im Unternehmen die Lösung
selbst finden. Ja, dafür brauchen sie uns.
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Dominic: Wir fangen an zu schauen
„Was ist der Kern des Unternehmens?
Wo liegt das Problem des Unternehmens? Was sind die Herausforderungen,
auf die sich dieses Unternehmen jetzt
einstellen muss?“ Diese Fragen und viele
mehr stehen weit vor der eigentlichen
Beratung.
Ich will keinem Unternehmen ein Konzept überstülpen, sondern ich möchte
mit dem Unternehmen gemeinsam ein
Konzept erarbeiten. Darin beraten, wie
man die Herausforderungen der Zukunft angeht, was man macht und wie
man es machen kann, das ist der Ansatz.
Das Schlechte offenbaren und das Gute
mehr hervorbringen und daraus weitere
Verbesserungs- und Motivationsansätze
erarbeiten. Ich sagte kürzlich zu einem
Kunden: „Es gibt auch Dinge, die gut
laufen, lass uns diese noch besser machen, und bei denen, die nicht so gut
laufen, die passenden Stellschrauben
drehen.“
Weiteres Thema, womit Unternehmen
aktuell zu kämpfen haben, ist, (gutes)
Personal zu gewinnen. Was für Erfahrungen habt ihr gemacht, und wie
begegnet ihr diesem Problem?
Dominic: Das ist für mich tatsächlich
ein schwieriges Thema. Ich stelle fest,
dass wir uns in einer absoluten Wohlfühlgesellschaft befinden, was das Thema Mitarbeiter angeht. Heutzutage ist
die Situation so: Als Unternehmen muss
ich mich heute bei Mitarbeitern bewerben, um ihnen zu zeigen, wie toll wir,
„Ich will keinem
Unternehmen ein
Konzept überstülpen,
sondern ich möchte mit
dem Unternehmen
gemeinsam ein
Konzept erarbeiten.“
das Unternehmen, sind, damit wir sie als
Mitarbeiter gewinnen. Ich habe es mit
einer Generation zu tun, die völlig unverbindlich ist. Jeder davon möchte gefühlt die Welt retten, gleichzeitig möchte
keiner dafür final Verantwortung über-
nehmen. Diese Einstellung macht es für
mich so schwierig, damit umzugehen.
Ich spüre auch jetzt beim Erzählen, dass
ich hier aufgrund der vielen Erfahrungen sehr negativ belegt bin.
Wir sind gerade in einer Bewerbungsphase, in der wir viele Bewerber einladen und Gespräche führen, d. h., wir
investieren sehr viel Zeit. Dann sagen
die Bewerber ab, aus Gründen „weil
mein Bauchgefühl mir abrät“. Ab jetzt
wird‘s schwierig, denn das ist für mich
nicht mehr nachvollziehbar, und wahrscheinlich bin ich auch zu alt, um das zu
verstehen (lacht).
Tobias: Ich erlebe einen spannenden
Bewerbermarkt: Grundsätzlich bewerben sich weniger Menschen, und der
Kampf um Talente hat begonnen. Das
hat meine letzte Recruiting-Kampagne
gezeigt. Und hier will ich dich positiver
stimmen, lieber Dominic. Ich erlebe
schon auch eine Generation, die „Bock
hat“ zu verändern, die einen Weg sucht,
Veränderung zu sein. Es muss uns gelingen, als Unternehmer diesen Wunsch
des „Veränderung-sein-wollens“ mit
unserem Unternehmen in Einklang zu
bringen. Und hier müssen wir uns fragen: „Wie bringen wir diesen Idealismus
zusammen mit dem, was die Unternehmerziele sind, mit dem, was Arbeit
bedeutet?“ Meine schwäbischen Großeltern und Eltern (beides Unternehmer)
sagten immer: „Schaffe ist halt Geschäft,
da kommt man nicht drum herum.“
Jetzt ist die Frage, wie gelingt es uns,
sie zu inspirieren, zu motivieren, dass
sie das gern machen mit dem Bewusstsein, dass der Deal der Arbeit am Ende
nichtsdestotrotz der Gleiche ist wie vor
70 Jahren: „Du leistest und bekommst
dafür am Ende dein Entgelt.“
Ich glaube, die Chance für uns Unternehmer ist – und das kann ich für mein
Team sagen: Es sind unheimlich viele
Menschen dabei, die gar nicht wissen,
was sie können, und da gilt es, diese zu
ermutigen „Geht raus und rettet Welt“,
wie Du es so schön formuliert hast – und
die anderen rechtzeitig auszusieben.
Neben den Mitarbeiter:innen brauchen wir auch gute Führungskräfte.
Was macht eine gute Führungskraft
für euch aus?
Tobias: Gute Führung war noch nie so
wichtig wie heute. Doch „Führung“ ist